Rezension Ottavia Maria Maceratini, One Cut

Rezension Ottavia Maria Maceratini, One Cut

Scarlatti, Mozart, Beethoven, Chopin, Tiessen, Schumann, Foulds, Debussy, Liszt

 

Joe Zawinul hätte vermutlich vor Maceratini die Mütze gezogen. Der 28 mal zum weltbesten Jazz/Fusion Keyboarder gewählte Tastenmagier mied den Konzertflügel – u.a. wegen des insbesondere zu hohen Registern spezifischen Obertonspektrums des akustischen Instruments, das durchaus Härten kennt. Doch wozu gibt es Frauenhände? Die 1986 in Italien geborene Pianistin erzielt Klangfarben gespenstischer Plastizität. Maceratinis Fähigkeit, die Gefühlswelt des Hörers distanzlos anzuregen, beruht auf ihrem beispielhaften Verständnis für Polyphonie und Kontrapunktik. Es entstehen Bilder, die der Hörer empfinden möchte, nicht solche, die diktiert werden. Hier musiziert ein Freigeist. Auch ihr Gespür für Dynamik – dem in der Musik vielleicht wichtigsten Kriterium, um Spannung zu erzeugen – ist von hoher Noblesse geprägt: Stückübergreifend – und die Auswahl ist hinreißend – wird deutlich, dass sie jederzeit zulangen könnte. Sie macht von dieser Option freilich nur gezielt Gebrauch, um die Kompositionen nicht zu entstellen.

Wem Lang Lang und andere aufstrebende Pianisten häufig als zu-kurz-gesprungen erscheinen und an Tennisspieler mit nur einem guten Schlag erinnern, sollte sich dieser Aufnahme widmen. Anspieltipp: Beethovens Mondscheinsonate oder der unerhörte Tiessen (3. Satz, Eine Natur-Trilogie). Einzig Liszts Tarantella wäre vielleicht in einer anderen Kompilation besser aufgehoben. Kompositions-Passagen, wie etwa zwischen 6:28 und 6:51, kurz bevor der furiose “Ausritt auf der Achterbahn” beginnt, muss man mögen. Die Spielkultur der Italienerin ist freilich auch hier bestechend.

Der CD-Titel „ONE CUT“ bezieht sich darauf, dass nur an einem Stück geschnitten wurde. So bleiben Maceratinis Darbietungen erfreulich authentisch. Auch aus diesem Grund für mich eine der schönsten Klaviersoloaufnahmen dieser Zeit.

Die Klangqualität ist gut bis sehr gut.

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