Rezension Schostakowitsch Sinfonie Nr. 7, Bernstein, Chicago Symphony Orchestra
Die nachfolgende Rezension bezieht sich auf die 7. Sinfonie, da die hiermit gekoppelte 1. unter der Leitung von Celibidache noch etwas geschmackvoller ausgefallen ist.
Das wunderschöne Eingangsthema und viele lyrische Momente prägen den Kopfsatz bis 7:40. Dann schließt sich der boleroartige Mittelteil an, der mir ein klein wenig zu technisch, zu getrimmt geleitet ist. Hier darf freilich Bernstein nicht angelastet werden, dass die Aufnahmetechnik in diesem Abschnitt das Orchester etwas ausgedünnt, leicht spitz einfängt. Generell tendiere ich zu der Einschätzung, diesen anspruchsvollen, sich bösartig bis insistierend zuspitzenden Mittelpart live im Konzerthaus mitzuerleben. Dort wird er zumeist als Befreiungsschlag für Blockaden aller Art erlebt. Über konventionelle Hifi Anlagen abgehört stellt sich indes die Belastungsfrage: Wer steckt mehr weg, die Gemütsverfassung des Hörers oder Hoch- und Tieftöner der Lautsprecherboxen?
Der zweite Satz begeistert durch sein beinahe zärtlich zu nennendes Entree, das selbstredend doppelbödig angelegt ist und natürlich der hochperkussiven Passage zwischen 6.45 und 9:40. Bernstein ist in seinem Element. Er agiert mit gemäßigtem Tempo und sehr plastisch.
Der 3. Satz zwischen 7.43 und 11:15 gehört für mich zu den besten Kompositionen überhaupt, schlicht zum Niederknien. Was hier das Chicago Symphony Orchestra unter Bernsteins Genius losbricht mit seiner beispiellosen rhythmischen Homogenität – Streicher wie aus einem Guss, Blech mit Wahnsinnstiming – weckt bei mir augenblicklich Erinnerungen an die augenzwinkernd aber korrekt betitelte CD des einzigartigen Jaxxsaxophonisten Michael Brecker „don´t try this at home“. Womöglich werden alle Drumcomputer dieser Welt vom Chicago Symphony Orchestra persönlich auf einwandfreies Einhalten der Zählzeiten abgeglichen.
Im Schlusssatz könnten jüngere Hörer zusammenzucken: Denn die Discofraktion wähnt sich ab 6:45 irrtümlich bei Peter Fox (Alles Neu) und muss ein klares „Guttenbergen“ einräumen.
Die Apotheose ab 11:39 ist erneut ein Wunder der Kompositionskunst. Für mich ist diese 1988 live mitgeschnittene 7. Sinfonie mit der kleinen Einschränkung im ersten Satz die beste verfügbare Einspielung, wissend um die Qualitäten der beiden Mariss Jansons Aufnahmen. Chicago Symphony Orchestra und sicher auch das ebenbürtige Cleveland Orchestra sind bei geeigneter Leitung die Übersee-Instanzen – mit ganz anderen Qualitäten gesegnet als wir sie aus Berlin, München, Wien etc. kennen.
Die Klangtechnik dieser Einspielung ist im Wesentlichen gut bis sehr gut.